Autor: BKR

Freiheit – aber wofür? Festvortrag anlässlich der Jahrestagung des BKR 2025

BKR-Meldung: Festrede von Prof. Dr. Sven-Joachim Otto beim Festkommers 2025

Beim diesjährigen Festkommers des BKR hielt unser Vorsitzender Prof. Dr. Sven-Joachim Otto die Festrede mit dem Titel:

„Freiheit – aber wofür? Europas Zukunft zwischen Beliebigkeit und Bindung“

Wir dokumentieren den vollständigen Wortlaut.

„Freiheit – aber wofür? Europas Zukunft zwischen Beliebigkeit und Bindung“

Prof. Dr. Sven-Joachim Otto

  1. Begrüßung – Feierlicher Auftakt

Hohes Präsidium,
verehrte Damen,
liebe Mitglieder und Freunde unseres Bundes, liebe Cartell – und Farbenbrüder, liebe Schwestern und Brüder in Christus,

es ist mir eine Freude und Ehre, an diesem Abend im Rahmen unseres Kommerses sprechen zu dürfen.

Ein solcher Abend ist kein bloß nostalgisches Ritual. Er ist ein Zeichen geistiger Kontinuität in einer Zeit, die fast alles zur Beliebigkeit erklärt hat.

Wir sind hier nicht zusammengekommen, um Vergangenheit zu feiern,
sondern um Zukunft zu bekennen – die Zukunft einer Freiheit, die mehr ist als Selbstverwirklichung.
Einer Freiheit, die Verantwortung kennt, Maß, Haltung – und Glauben.

2. Freiheit – Das missverstandene Ideal

„Freiheit“ – welch großes Wort. Es ziert Verfassungen, Resolutionen und Wahlprogramme.

Doch wenn wir ehrlich sind: Was meinen wir heute damit?

Freiheit ist zu einem leeren Signum geworden.
Sie bedeutet für die einen Unabhängigkeit, für die anderen Ungebundenheit –
für viele einfach: tun, was man will.

Doch eine solche Freiheit ist nur halbe Freiheit.
Sie kennt kein Ziel, nur Bewegung. Kein Sinn, nur Optionen.

Wir sind frei von allem – auch von Orientierung.

Und genau das ist das Paradox unserer Zeit:
Nie war Europa so frei, und doch nie so erschöpft.

3. Freiheit in der Geschichte – Vom Logos zur Beliebigkeit

Die alten Griechen verstanden Freiheit als Fähigkeit zur Vernunft.
Aristoteles sagte: „Frei ist, wer sich selbst beherrscht.“
Freiheit war nicht Willkür, sondern Selbstformung.

Die Römer machten daraus Ordnung: libertas bedeutete Teilhabe am Gemeinwesen –
nicht Loslösung, sondern Verantwortung.

Und das Christentum schließlich gab dieser Freiheit eine Seele:

Freiheit als Antwort auf Berufung,
Freiheit als Bindung an das Gute,
Freiheit als Weg zur Wahrheit.

Der Heilige Paulus schreibt: „Zur Freiheit hat uns Christus berufen.“
Das heißt: Wir sind befreit zu etwas – nicht von allem.

4. Der moderne Mensch – Emanzipiert und entwurzelt

Mit der Neuzeit kam der Bruch.

Der Mensch entdeckte sich selbst – und verlor sich zugleich.

Die Aufklärung rief: „Sapere aude – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
Das war groß – und gefährlich zugleich.

Denn dieser Verstand begann bald, sich selbst zum Maßstab zu machen.
Er löste sich von der Wahrheit, die größer ist als er.

So entstand jene Autonomie ohne Transzendenz,
die uns heute in den moralischen Relativismus geführt hat.

Wir haben gelernt, „selbst zu denken“ –
aber verlernt, über uns hinaus zu denken.

5. Europa – Das Projekt einer geistigen Ordnung

Europa war von Anfang an mehr als ein geografischer Begriff.
Es war eine Idee, geboren aus drei Quellen:

– der griechischen Vernunft,
– dem römischen Recht und
– dem christlichen Glauben.

Diese drei – Vernunft, Recht und Glaube – bildeten das Fundament der europäischen Freiheit.
Nicht als Gegensätze, sondern als Ergänzungen.

Nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts wollte man dieses Erbe bewahren –
in Gestalt der Europäischen Gemeinschaft, später Union.

Was für ein großartiges Ziel!
Frieden, Zusammenarbeit, gemeinsame Werte.

Doch die große Idee hat unterwegs ihre Seele verloren.

6. Die Entfremdung Europas – Von der Gemeinschaft zur Bürokratie

Europa wollte Einheit in Vielfalt.
Entstanden ist Gleichmacherei in Bürokratie.

Was als Schutzraum für Freiheit begann,
ist zu einem Regelwerk für Lebensstile geworden.

Heute entscheidet die EU-Kommission,
wie wir wirtschaften, wie wir heizen,
bald auch, was wir sagen dürfen –
und vor allem: was wir nicht mehr sagen sollen.

Das ist kein Fortschritt, das ist Vormundschaft.

Europa, das sich einst gegen Fremdherrschaft erhob,
bevormundet nun seine eigenen Bürger.

7. Kompetenzverlagerung – Das stille Ende der Souveränität

Die Europäische Union greift längst in Bereiche ein,
die nie Teil eines europäischen Mandats waren.

Sie reguliert Familienrecht, Arbeitsmarkt, Energieversorgung, Landwirtschaft, Migration.
Sie erlässt verbindliche Normen, ohne dass nationale Parlamente wirklich mitreden.

Was als Wirtschaftsgemeinschaft begann, ist zu einer Rechtsgemeinschaft ohne Grenzen geworden.

Der Europäische Gerichtshof interpretiert seine Zuständigkeit immer weiter –
und das Europäische Parlament ersetzt nicht die demokratische Verantwortung der Mitgliedstaaten.

Das Ergebnis:

Der Bürger fühlt sich ohnmächtig –
und jene, die sich „proeuropäisch“ nennen, verstehen gar nicht, warum.

8. Demokratiedefizit – Wenn Institutionen größer werden als Ideen

Wir erleben ein Europa der Verfahren, nicht der Überzeugungen.
Ein Europa der Ausschüsse, nicht der Charaktere.

Die Union schafft Richtlinien, Verordnungen, Programme –
aber kaum Begeisterung.

Es ist, als hätte man den Geist der Freiheit in Aktenordner abgelegt.

Die Gefahr ist real:
Wenn Bürger das Gefühl verlieren, dass ihre Stimme etwas zählt,
wird die Demokratie zur Formalie.

Und das ist der Moment, in dem Populismus zur Versuchung wird.

9. Die neue Versuchung: Der technokratische Mensch

Wir glauben heute an die Allmacht der Verwaltung.

Alles scheint regelbar, alles kontrollierbar –
sogar Moral.

Doch Freiheit ist kein Algorithmus.

Sie lebt von Vertrauen, nicht von Kontrolle.
Von Haltung, nicht von Formularen.

Die EU kann Werte proklamieren,
aber sie kann keinen Glauben stiften.

Sie kann Rechte gewähren,
aber keine Tugend lehren.

Und ohne Tugend wird Freiheit zur Last.

10. Die katholische Antwort – Bindung als Quelle der Freiheit

Hier, liebe Bundesbrüder, beginnt unser Auftrag.

Unsere katholischen Verbindungen wissen,
dass Freiheit nicht in der Loslösung liegt,
sondern in der Verwurzelung.

Wir sind nicht schlagend –
und das ist kein Zeichen der Schwäche,
sondern des Prinzips.

Denn unser Kampf ist nicht mit der Klinge,
sondern mit dem Wort, mit dem Geist, mit dem Glauben.

Wir stehen in der Tradition der katholischen Soziallehre:

Freiheit in Verantwortung,
Selbstbestimmung in Solidarität,
Würde in Wahrheit.

Diese Form des Lebens ist kein Anachronismus –
sie ist Gegenentwurf zur Beliebigkeit unserer Zeit.

11. Die Krise der Demokratie – Wenn Freiheit zur Gleichgültigkeit wird

Unsere Demokratie steht heute nicht am Abgrund,
aber sie steht im Nebel.

Sie leidet nicht am Mangel an Rechten,
sondern am Mangel an Überzeugungen.

Wir haben Verfahren perfektioniert –
aber vergessen, wozu sie dienen.

Wir halten Wahlen ab,
aber keine Debatten mehr über das Gute.

Wir fordern Teilhabe –
aber ohne Verantwortung.

Und währenddessen verwandelt sich Freiheit in Anspruchsdenken,
Verantwortung in Empörung,
und Meinung in Moralismus.

Wenn wir so weitermachen,
wird Demokratie zur bloßen Simulation.

12. Europa steht an einem Wendepunkt.

Wird es Kontinent der Überzeugungen bleiben –
oder Museum der Möglichkeiten?

Wird es noch eine gemeinsame Idee geben –
oder nur noch gemeinsame Richtlinien?

Wir dürfen nicht zulassen,
dass Europa sich in einem Meer von Gleichgültigkeit auflöst.

Denn wo alles erlaubt ist,
ist am Ende nichts mehr wert.

Beliebigkeit ist nicht Toleranz –
sie ist moralische Kapitulation.

13. Die Aufgabe unserer Generation

Was heißt das für uns?

Es bedeutet: Wir müssen den Mut haben,
wieder über Wahrheit zu sprechen.

Über das, was richtig ist –
nicht nur über das, was funktioniert.

Wir müssen uns erinnern,
dass Freiheit kein Selbstzweck ist,
sondern Dienst am Guten.

Und wir müssen jungen Menschen vermitteln,
dass Bindung keine Schwäche ist,
sondern Stärke.

Denn nur wer gebunden ist, kann tragen.

14. Ein persönliches Bekenntnis

Ich selbst bin in einer katholischen Verbindung groß geworden.

Ich habe dort gelernt,
dass Freundschaft Verpflichtung bedeutet,
dass Freiheit Disziplin braucht,
und dass man im Leben nicht jedem Wind folgt.

Diese Prägung war nie bequem,
aber sie war tragfähig.

Sie lehrt, dass man im Zweifel nicht fragt:
„Was nützt mir das?“,

sondern: „Was ist richtig?“

Genau diese Haltung braucht Europa heute.

15. Nach vorn zur Quelle – Erneuerung statt Rückzug

Europa braucht keine Revolution,
sondern Rückbesinnung –
auf seine geistige Quelle.

Auf den Glauben,
dass Wahrheit existiert,
dass Würde unverfügbar ist,
und dass Freiheit Verantwortung voraussetzt.

Das ist keine Rückkehr ins Mittelalter,
sondern ein Schritt in die Zukunft.

Denn eine Gesellschaft ohne Wahrheit
zerfällt an ihrer Beliebigkeit.

16. Schluss: Freiheit – aber wofür?

Meine Damen und Herren, liebe Bundesbrüder,

wir haben gelernt, wovon wir frei sein wollen.
Jetzt müssen wir neu lernen,
wofür wir frei sind.

Wir sind frei, um das Gute zu tun.
Frei, um Verantwortung zu übernehmen.
Frei, um uns zu binden – an Wahrheit, an Gemeinschaft, an Gott.

Das ist die Freiheit, die trägt.

Papst Benedikt XVI. hat gesagt:

„Freiheit braucht die Bindung an das Gute, sonst zerstört sie sich selbst.“

Mögen wir das nicht vergessen –
in unseren Häusern, in unseren Universitäten,
in Brüssel, Berlin – und in unseren Herzen.

Denn die Zukunft Europas wird nicht in Kommissionen entschieden,
sondern in der Seele freier Menschen.

Und diese Freiheit beginnt nicht mit einem Recht –
sondern mit einer Haltung.

Veritas liberabit vos – die Wahrheit wird euch frei machen.

Ich danke Euch!

Betrachtung des BKR zum 9. November 2025

Betrachtung des BKR zum Kirchweihfest der Lateranbasilika – 9. November

Heute feiert die Kirche das Kirchweihfest der Lateranbasilika in Rom, der „Mutter und dem Haupt aller Kirchen der Stadt und des Erdkreises“. Keine andere Kirche symbolisiert in ähnlicher Weise die Einheit und die geschichtliche Verwurzelung des Katholischen: Hier ist der Stuhl des Bischofs von Rom, hier nahm die Kirche sichtbare Gestalt an als Gemeinschaft, die über Zeiten und Völker hinausreicht.

Die Konstantinische Schenkung und die bleibende Herausforderung weltlicher Macht

Nach der Überlieferung verdankt die Lateranbasilika ihre Entstehung der sogenannten Konstantinischen Schenkung. Auch wenn diese Urkunde in ihrer späteren Form eine Fälschung war, trägt sie ein wahres geistliches Moment in sich: das Bekenntnis, dass weltliche Macht dem Glauben Raum schenken soll, ohne ihn sich dienstbar zu machen.
Die „Schenkung“ steht damit symbolisch für ein Spannungsverhältnis, das uns bis heute begleitet – zwischen Recht und Gnade, zwischen staatlicher Ordnung und kirchlicher Sendung.

Für uns katholische Rechtsanwälte ist diese Spannung tägliche Wirklichkeit. Wir stehen inmitten einer Welt, die auf Normen, Verfahren und Institutionen vertraut – und zugleich wissen wir, dass Recht ohne Wahrheit leer bleibt. Das Fest der Lateranbasilika mahnt uns, unser berufliches Wirken im Licht des Glaubens zu verstehen:
als Dienst an der Würde des Menschen, an der Gerechtigkeit, die von Gott herkommt, und an einer Ordnung, die Frieden stiften will.

Gedenken an die Reichspogromnacht

Der 9. November ist zugleich ein Tag des Gedenkens an eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte: die Reichspogromnacht 1938, in der jüdische Mitbürger entrechtet, verfolgt und getötet, ihre Synagogen in Brand gesetzt wurden.
Während die Flammen in deutschen Städten die Häuser des Gebets verzehrten, hätte gerade die Kirche daran erinnern müssen, dass jedes Gotteshaus – gleich welcher Religion – ein Ort der Begegnung mit dem Ewigen ist.
Heute gedenken wir dieser Nacht in Scham und in Verantwortung: Nie darf der Glaube zur Rechtfertigung von Hass werden, nie darf Schweigen die Antwort auf Unrecht sein.

Psalmwort

„Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als tausend andere.
Lieber an der Schwelle stehen im Hause meines Gottes
als wohnen in den Zelten der Frevler.“
(Psalm 84,11)

Gebet

Allmächtiger Gott,
Du hast deiner Kirche im Lateran ein sichtbares Zeichen ihrer Einheit gegeben.
Lass auch uns, die wir im Recht dienen, Baumeister deines Hauses sein –
mit klarer Vernunft, mit offenem Herzen, mit Mut zur Wahrheit.

Gedenke derer, deren Häuser des Gebets zerstört wurden,
der Opfer von Hass und Gewalt.
Heile, was zerbrochen ist,
und lehre uns, im Geist des Friedens und der Gerechtigkeit zu wirken.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
Amen.

(Bund katholischer Rechtsanwälte – BKR, 9. November)

Betrachtung zum Hochfest Allerheiligen

Betrachtung des BKR zum Hochfest Allerheiligen

„Heiligkeit – Berufung und Auftrag“

Am Hochfest Allerheiligen richtet die Kirche ihren Blick auf jene unzählbare Schar von Menschen, die in ihrem Leben das Evangelium ernst genommen haben – nicht als abstraktes Ideal, sondern als konkreten Weg, der durch das Alltägliche führt. Sie sind „heilig“, nicht weil sie vollkommen waren, sondern weil sie sich von Gott ergreifen ließen.

In einer Zeit, die Leistung höher bewertet als Hingabe und Erfolg über Treue stellt, erinnert Allerheiligen uns daran, dass Heiligkeit keine Kategorie des Außergewöhnlichen ist. Sie ist kein Preis für wenige, sondern eine Berufung für alle. Jeder Mensch, gleich welcher Profession, ist gerufen, in seinem Tun und Lassen den göttlichen Funken sichtbar werden zu lassen – im Hören, im Dienen, im Aushalten und im Aufstehen.

Für uns als Juristinnen und Juristen im Bund katholischer Rechtsanwälte (BKR) bedeutet das: Heiligkeit ereignet sich auch im Denken, Argumentieren und Entscheiden. Wer das Recht liebt, ohne den Menschen zu vergessen, wer die Wahrheit sucht, auch wenn sie unbequem ist, wer Barmherzigkeit höher achtet als bloße Regelhaftigkeit, der ahnt etwas vom göttlichen Maß in einer menschlichen Ordnung. Heiligkeit ist in diesem Sinne nicht Rückzug aus der Welt, sondern Vertiefung ihrer Würde.

Die Heiligen aller Zeiten waren Menschen mit Verantwortung – in Kirche, Gesellschaft und Beruf. Manche standen auf den Kanzeln, andere an Werkbänken, einige vor Gericht. Allen gemeinsam war: Sie ließen sich durch Gottes Nähe verwandeln und setzten sie um in Liebe, Gerechtigkeit und Mut.

So erinnert Allerheiligen uns daran, dass Heiligkeit kein Nimbus der Entrückten ist, sondern ein Auftrag, der mitten in unseren Kalendern steht. Wer heute in Recht und Gesellschaft Verantwortung trägt, wird täglich herausgefordert, zwischen Buchstabe und Geist, zwischen Macht und Gewissen, zwischen Pflicht und Gnade zu unterscheiden. Gerade dort zeigt sich, was das Hochfest meint:
Heiligkeit geschieht, wo der Mensch nicht sich selbst genügt, sondern Gott Raum gibt, durch ihn zu handeln.

Möge dieses Hochfest uns – in der Kirche, im Beruf und im Leben – daran erinnern, dass Heiligkeit beginnt, wo wir uns rufen lassen:
zur Wahrheit, zur Gerechtigkeit und zur Liebe.

BKR begrüßt Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht.

Bund Katholischer Rechtsanwälte (BKR) begrüßt Beschluss des Bundesverfassungsgericht im kirchlichen Arbeitsrecht – ausgewogene Abwägung von Selbstbestimmung der Kirchen und Schutz der Mitarbeitenden erforderlich

Berlin – Der Bund Katholischer Rechtsanwälte (BKR) nimmt mit großer Aufmerksamkeit die heute publizierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvR 934/19) zur Zulässigkeit von Religions- oder Konfessionserfordernissen bei kirchlichen Arbeitgebern zur Kenntnis. Diese Entscheidung verändert den Maßstab im kirchlichen Arbeitsrecht und bekräftigt grundrechtliche Aspekte der kirchlichen Selbstbestimmung. 

„Mit dem heutigen Beschluss wird klargestellt, dass kirchliche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei der Besetzung von Stellen nicht nur dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu folgen haben, sondern zugleich ihr verfassungsrechtlich gesichertes Recht auf Selbstbestimmung wahrzunehmen haben“, erklärt der Vorsitzende des BKR, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Roger Zörb. „Für uns ist wichtig, dass dieser Rechtsrahmen nicht zu einer pauschalen Legitimation von Konfessions- oder Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsbedingung führt, sondern dass — gerade im Rahmen kirchlicher Dienstgemeinschaften — eine sorgfältige Einzelfallprüfung erforderlich bleibt.“

Der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Prof. Dr. Sven‑Joachim Otto, Rechtsanwalt aus Düsseldorf, ergänzt: „Der Beschluss stärkt die Position kirchlicher Arbeitgeber hinsichtlich ihres Leitbilds und ihres Selbstverständnisses. Gleichzeitig birgt er eine hohe Verantwortung: Wenn Kirchen- und Diakonie-Träger künftig Konfessions- oder Religionszugehörigkeit verlangen, muss deren Notwendigkeit für die konkrete Tätigkeit transparent, plausibel und verhältnismäßig begründet sein.“

Der BKR weist darauf hin, dass die kirchliche Dienstgemeinschaft im Arbeitsverhältnis ein genuin besonderes Arbeitsverhältnis darstellt, das strukturell vom öffentlichen Arbeitsrecht abweichen darf – solange der sachliche Bezug zur Gemeinschaftsaufgabe gewährleistet ist. Der Beschluss hebt hervor, dass bei der Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und dem Schutz vor Diskriminierung eine angemessene Güterabwägung zu erfolgen hat. 

Der Verband sieht vor diesem Hintergrund folgende Handlungs- und Orientierungspunkte für die Praxis:
1. Kirchengemeinschaften und kirchliche Arbeitgeber sollten ihre Stellen- und Ausschreibungskriterien darauf prüfen, ob eine Religi­ons- oder Konfessionszugehörigkeit wirklich erforderlich ist – konkret für die Erfüllung der dienstlichen Aufgabe und im Hinblick auf das Selbstverständnis der Institution.
2. Für Stellen, in denen die Zugehörigkeit nicht objektiv erforderlich ist, sollten alternative Kriterien geschaffen werden, um Diskriminierungsrisiken zu begrenzen und Transparenz zu fördern.
3. Arbeitsverträge und Mitarbeiterrichtlinien in kirchlichen Einrichtungen müssen künftig besonders sorgfältig dokumentieren, auf welcher Grundlage Konfessions- oder Mitgliedschaftsanforderungen gestellt werden.
4. Die Rechtsberatung kirchlicher Arbeitgeber und Mitarbeitender gewinnt damit weiter an Bedeutung – sowohl im Hinblick auf Einstellungspraktiken als auch auf mögliche Rechtsfolgen bei Ausschluss- oder Auswahlprozessen.

„Für unsere Mitglieder – sowohl in der Beratung kirchlicher Arbeitgeber als auch in der Vertretung von Beschäftigten – bedeutet dieser Beschluss eine wichtige Orientierungshilfe“, so Roger Zörb. „Er verleiht dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen klare Grenzen und zugleich dem Nicht-Diskriminierungsgebot verstärkte Bedeutung.“

Der BKR wird die weiteren Entwicklungen beobachten und seine Mitglieder zeitnah mit praxisrelevanten Beratungsinformationen versorgen.

BKR zur Eheschließung des ehemaligen Bischofs Nann

PRESSEMITTEILUNG

Bund Katholischer Rechtsanwälte (BKR)
Hamburg / Düsseldorf, 20. Oktober 2025

BKR zur Eheschließung des emeritierten Bischofs Reinhold Nann: Kein Sakrament, aber ein geordneter disziplinarischer Vorgang

Der Bund Katholischer Rechtsanwälte (BKR) nimmt Stellung zur Meldung der Plattform katholisch.de vom 17. Oktober 2025, wonach der aus Deutschland stammende frühere Bischof der Territorialprälatur Caravelí in Peru, Reinhold Nann, nach seinem Rücktritt im Jahr 2024 eine Ehe geschlossen hat. Eine formelle Entlassung aus dem Klerikerstand (Laisierung) ist bislang nicht bekanntgegeben worden.

Der BKR stellt klar, dass der Vorgang weder ein Sakramentenverstoß im engeren Sinn noch eine kirchenrechtliche Sensation darstellt, sondern einen geordnete disziplinarische Folge im Rahmen des geltenden Kirchenrechts.

Roger Zörb, Vorsitzender des BKR und Fachanwalt für Arbeitsrecht (Hamburg):

„Nach den Normen des Codex Iuris Canonici verliert ein Kleriker seinen Stand nicht automatisch durch Eheschließung, sondern nur durch einen formellen Akt der kirchlichen Autorität, vgl. can. 290 CIC. Solange eine solche Laisierung nicht erfolgt ist, bleibt er dem Klerikerstand zugehörig – mit allen daraus folgenden Verpflichtungen, insbesondere dem Zölibat.

Allerdings liegt hier, soweit bekannt, keine kirchliche Trauung vor, sondern eine standesamtliche Eheschließung. Ein katholischer Kleriker ist an die kanonische Eheschließungsform nach can. 1108 CIC gebunden. Ohne Dispens der zuständigen Autorität kommt in einem solchen Fall kein sakramentaler Eheabschluss zustande. Das bedeutet: Die Ehe ist aus kirchenrechtlicher Sicht nicht gültig geschlossen, sie ist also kein Sakrament.

Damit handelt es sich in erster Linie nicht um eine Verletzung der Sakramentalordnung, sondern um eine disziplinarische Irregularität, deren Folgen das Kirchenrecht klar regelt. Ein Bruch der kirchlichen Rechtsordnung liegt nicht vor, vielmehr zeigt der Vorgang, dass das kanonische Recht auch für solche Grenzfälle geordnete Verfahren vorsieht.“

Prof. Dr. Sven-Joachim Otto, stellvertretender Vorsitzender des BKR und Rechtsanwalt (Düsseldorf):

„Die Öffentlichkeit neigt bei solchen Meldungen zu vorschnellen Urteilen. Tatsächlich handelt es sich hier nicht um eine kirchenrechtliche Katastrophe, sondern um einen Fall, in dem die Disziplin des Klerikerstandes greift. Nach can. 1394 § 1 CIC zieht die versuchte Eheschließung eines Klerikers automatisch eine Suspension latae sententiae nach sich; regelmäßig folgt anschließend die Versetzung in den Laienstand.

Die einmal gültig empfangene Bischofsweihe prägt einen character indelebilis, also ein unauslöschliches Prägemal – er bleibt ontologisch Bischof, verliert aber die rechtliche Befugnis zur Amtsausübung. Da Herr Nann seinen Antrag auf Entlassung aus dem Klerikerstand bereits gestellt hat, wird der Heilige Stuhl diesen Schritt voraussichtlich bestätigen. Damit ist die Angelegenheit kirchenrechtlich folgerichtig geregelt, ohne dass die Sakramentalordnung selbst tangiert wäre.“

Der BKR betont:

Die Kirche verfügt über ein in sich konsistentes und rechtsstaatlich geordnetes System zur Beendigung des Klerikerstandes.
Eine zivilrechtliche Eheschließung ohne Dispens ist aus kanonischer Sicht keine sakramentale Ehe, sondern ein disziplinarischer Verstoß.


Die kirchliche Rechtsordnung reagiert darauf nicht mit moralischer Empörung, sondern mit rechtlich definierten Konsequenzen – Ausdruck der inneren Rechtskultur der Kirche, nicht ihrer Krise.

Kontakt:

Bund Katholischer Rechtsanwälte (BKR)
Vorsitzender: RA Roger Zörb (Hamburg)
Stellv. Vorsitzender: RA Prof. Dr. Sven-Joachim Otto (Düsseldorf)

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