Betrachtung zum Hochfest Allerheiligen
Betrachtung des BKR zum Hochfest Allerheiligen
„Heiligkeit – Berufung und Auftrag“
Am Hochfest Allerheiligen richtet die Kirche ihren Blick auf jene unzählbare Schar von Menschen, die in ihrem Leben das Evangelium ernst genommen haben – nicht als abstraktes Ideal, sondern als konkreten Weg, der durch das Alltägliche führt. Sie sind „heilig“, nicht weil sie vollkommen waren, sondern weil sie sich von Gott ergreifen ließen.
In einer Zeit, die Leistung höher bewertet als Hingabe und Erfolg über Treue stellt, erinnert Allerheiligen uns daran, dass Heiligkeit keine Kategorie des Außergewöhnlichen ist. Sie ist kein Preis für wenige, sondern eine Berufung für alle. Jeder Mensch, gleich welcher Profession, ist gerufen, in seinem Tun und Lassen den göttlichen Funken sichtbar werden zu lassen – im Hören, im Dienen, im Aushalten und im Aufstehen.
Für uns als Juristinnen und Juristen im Bund katholischer Rechtsanwälte (BKR) bedeutet das: Heiligkeit ereignet sich auch im Denken, Argumentieren und Entscheiden. Wer das Recht liebt, ohne den Menschen zu vergessen, wer die Wahrheit sucht, auch wenn sie unbequem ist, wer Barmherzigkeit höher achtet als bloße Regelhaftigkeit, der ahnt etwas vom göttlichen Maß in einer menschlichen Ordnung. Heiligkeit ist in diesem Sinne nicht Rückzug aus der Welt, sondern Vertiefung ihrer Würde.
Die Heiligen aller Zeiten waren Menschen mit Verantwortung – in Kirche, Gesellschaft und Beruf. Manche standen auf den Kanzeln, andere an Werkbänken, einige vor Gericht. Allen gemeinsam war: Sie ließen sich durch Gottes Nähe verwandeln und setzten sie um in Liebe, Gerechtigkeit und Mut.
So erinnert Allerheiligen uns daran, dass Heiligkeit kein Nimbus der Entrückten ist, sondern ein Auftrag, der mitten in unseren Kalendern steht. Wer heute in Recht und Gesellschaft Verantwortung trägt, wird täglich herausgefordert, zwischen Buchstabe und Geist, zwischen Macht und Gewissen, zwischen Pflicht und Gnade zu unterscheiden. Gerade dort zeigt sich, was das Hochfest meint:
Heiligkeit geschieht, wo der Mensch nicht sich selbst genügt, sondern Gott Raum gibt, durch ihn zu handeln.
Möge dieses Hochfest uns – in der Kirche, im Beruf und im Leben – daran erinnern, dass Heiligkeit beginnt, wo wir uns rufen lassen:
zur Wahrheit, zur Gerechtigkeit und zur Liebe.
